Versicherbarkeit von Pandemie-Risiken bei Großkonzernen

Veröffentlicht am 27/02/20

Zusammenfassung

Das Auftauchen und die schnelle Verbreitung des Corona-Virus (SARS-CoV-2) und dessen Folgen haben auch bei deutschen Großkonzernen erneut die Frage der Versicherbarkeit von wirtschaftlichen Risiken im Zusammenhang mit einer Pandemie aufgeworfen. Derartige Risiken sind in den bestehenden All-Risk-Sach-Deckungen üblicherweise nicht gedeckt, da es am deckungsauslösenden Sachsubstanzschaden fehlt. Die im Markt angebotenen Versicherungslösungen richten sich entweder nicht an Großunternehmen oder bieten weder ausreichende Deckungslimite noch eine akzeptable Bepreisung. Aufgrund der aktuellen Verbreitung von Covid-19 ist es unwahrscheinlich, dass die bisherigen Deckungen von den Versicherern zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch angeboten werden. Zudem ist nicht davon auszugehen, dass der Versicherungsmarkt Großunternehmen in absehbarer Zeit eine akzeptable Versicherungslösung für Betriebs­unterbrechungs- und Ertragsausfallschäden infolge von Pandemien zur Verfügung stellen kann.

Wirtschaftliche Risiken für Großunternehmen durch Pandemien

Am Beispiel von Covid-19 werden die möglichen wirtschaftlichen Risiken durch Pandemien für Großunternehmen bereits sichtbar. Es kommt zu Betriebsschließungen, Produktionseinschränkungen und Abnahmeeinbrüchen, weil Menschen infolge der Epidemien durch behördliche Anordnung oder Entscheidung des Arbeitgebers in ihrem Bewegungsradius eingeschränkt werden und ggf. ihren Arbeitsplatz nicht einnehmen können. Es zeigt sich, dass durch die globale Vernetzung der Unternehmen mit ihren Lieferanten und Abnehmern auch lokal begrenzte Epidemien weltweit signifikante wirtschaftliche Auswirkungen haben können. Im Zusammenhang mit Pandemien besteht für Unternehmen im Wesentlichen das Risiko eines Ertragsausfalls (EA) infolge Betriebsunterbrechung (BU) des eigenen Betriebs, weil z.B.:

  • eine hinreichende Anzahl eigener Mitarbeiter oder bestimmter Schlüsselpersonen krankheitsbedingt zumindest temporär ihrem Arbeitsplatz fernbleiben
  • infolge der Pandemie behördliche Verbote und Einschränkungen verhängt werden
  • Zulieferer aufgrund der Pandemie ihren Lieferverpflichtungen nicht nachkommen (können) (CBI-Risiken – Contingent Business Interruption)

Darüber hinaus bestehen auch Ertragsrisiken, weil Kunden die hergestellten Waren nicht abnehmen, z.B. weil wiederum behördliche Beschränkungen bestehen oder Kunden aufgrund der Pandemie Kaufzurückhaltung üben.

Versicherung von Pandemierisiken im Rahmen bestehender Versicherungs-lösungen

EA- und BU-Risiken werden von Großunternehmen grundsätzlich im Rahmen von (All-Risk-)Sachversicherungspolicen versichert. Darunter werden regelmäßig auch solche Schäden subsummiert, deren Ursache bei Zulieferern (CBI) oder Abnehmern liegt. Während eigene EA-/BU-Schäden meist bis zum vollen Versicherungslimit versichert sind, gelten für Zuliefer- und Abnahmeschäden bei Großunternehmen Sublimite, die bis zu mehrere 100 Mio. EUR betragen können. Im Zuge der Marktverhärtung in den vergangenen Monaten hat sich die verfügbare Marktkapazität zur Deckung dieser Schäden allerdings z.T. deutlich reduziert. Grundsätzlich ist Voraussetzung für das Vorliegen eines versicherten EA-/BU-Schadens, dass dieser aus einem Sachsubstanzschaden resultiert. Da eine Pandemie regelmäßig keinen Sachsubstanzschaden auslöst, besteht für dieses spezielle Risiko üblicherweise auch kein Deckungsschutz im Rahmen der EA-/BU-Versicherung eines All-Risk-Sachversicherungsvertrags. Im Rahmen eines internationalen Versicherungsprogramms ist es allerdings möglich, dass aufgrund länderspezifischer Usancen und Spezialregelungen in bestimmten Lokalpolicen zumindest Teile eines Pandemierisikos versichert sein könnten.1

EA-/BU-Schäden infolge von Pandemien wurden bislang nur durch wenige Spezialversicherungslösungen adressiert, die aber aufgrund äußerst begrenzter Versicherungslimite und signifikanter Prämienhöhen in der Vergangenheit keine gangbare Lösung für Großunternehmen darstellten oder aus anderen Gründen ungeeignet waren. So gibt es zum Beispiel folgende Angebote:

  • Mitversicherung von „ansteckenden Krankheiten“ mit Sublimiten von 1-5 Mio. EUR(kombiniert Sach und EA) im Deckungskonzept von speziellen Sachversicherern –Trigger dieser Deckung ist, dass die Krankheit direkt am eigenen Versicherungsort sowie Zugangsbeschränkungen zu diesem Versicherungsort vorhanden sind; versichert sind Reinigungs- und ggf. weitere Kosten sowie ggf. in beschränktem Umfang der Ertragsausfall, allerdings nicht infolge von Lieferanten- oder Abnehmerausfall.
  • Non-Physical EA-/BU-Deckungen, d.h. Deckungen bei denen kein Sachsubstanzschaden erforderlich ist, um die Deckung auszulösen. Diese Art der Deckung wurde von verschiedenen Versicherern verstärkt nach den logistischen Einschränkungen infolge des Vulkanausbruchs auf Island im Jahre 2010 angeboten. Die Deckungen bedingten eine ausgeprägte und umfassende Definition und Prüfung der zu versichernden Risiken durch den Versicherer, so dass theoretisch auch EA-/BU-Schäden infolge von Pandemien hätten versichert werden können. Unseres Wissens nach gab es aber auch ohne Pandemietrigger aufgrund begrenzter Versicherungskapazitäten und -limite und der signifikanten Prämienforderungen der Versicherer kein Großunternehmen, das eine entsprechende Deckung abgeschlossen hätte. Zudem enthalten derartige Deckungen heute Regelungen, mit denen Schäden durch übertragbare Krankheiten vom Versicherungsschutz ausgeschlossen werden.
  • Spezial-Versicherungen wie z.B. Veranstaltungsausfall-Deckungen oder Betriebsschließungs-Versicherungen in der Lebensmittelproduktion/-verarbeitung, in der Gastronomie, bei Kliniken, Beherbergungsbetrieben u.a. decken ggf. auch das Pandemierisiko. Diese sind allerdings für Großunternehmen nicht nutzbar.
  • Bei Rückversicherungsmärkten existieren ferner Versicherungslösungen, die z.B. auf parametrischen Deckungen beruhen oder in Zusammenarbeit mit der Weltbank entwickelt wurden, um erste schnelle Hilfszahlungen für Entwicklungsländer zu ermöglichen, wenn diese von einer Pandemie betroffen sind.2 Auch diese Lösungensind an bestimmte Voraussetzungen geknüpft und zumindest für produzierende Großunternehmen nicht oder nur zu meist unattraktiven Konditionen zugänglich.

Es ist davon auszugehen, dass der Versicherungsmarkt mittelfristig keine kapazitativ und finanziell attraktive Versicherungslösung zum Transfer von Pandemierisiken für Großunternehmen zur Verfügung stellen wird. Dies liegt zum einen an dem mit Pandemien verbundenen Kumulrisiko für die Versicherer, das sich sowohl im Hinblick auf die mögliche weltweite Verbreitung des Erregers als auch in der gleichzeitigen Betroffenheit verschiedener Versicherungssparten (z.B. Krankenversicherung, Lebensversicherung) manifestieren kann. Zum anderen liegt dies an der derzeitigen Marktverhärtung und der Zurückhaltung der Versicherer, Risiken zu zeichnen, die sich in jüngster oder jüngerer Vergangenheit in signifikantem Ausmaß realisiert haben.

Dr. Oliver Cullmann

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