Modernisierung des Versicherungs­steuerrechts

für internationale Versicherungsprogramme deutscher Großunternehmen

Veröffentlicht am 18/11/20

Situation

Derzeit befindet sich das „Gesetz zur Modernisierung des Versicherungs­steuerrechts (Versicherungs­steuerrechts­­modernisierungsgesetz – VersStRModG) im Gesetz­gebungs­verfahren. Der eingebrachte Referentenentwurf, für den im Oktober seitens des Finanzausschusses des Bundestags eine Beschluss­empfehlung ausgesprochen wurde, umfasst auch Regelungsbereiche, die die Erhebung von Versicherungssteuer bei internationalen Sach- und anderen Versicherungs­programmen betreffen.

Danach sollen Risiken, wie Betriebsstätten, unbewegliche Vermögensgegenstände oder Fahrzeuge, die sich außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) befinden und im Rahmen eines Versicherungsvertrags in Deutschland versichert sind, in jedem Fall auch der deutschen Versicherungssteuer unterliegen. Das heißt, dass solche Risiken gegebenenfalls einer Doppelbesteuerung in Deutschland und im Drittstaat ausgesetzt wären, wenn die Anrechnung der Versicherungssteuern von den Finanzbehörden der betroffenen Staaten gegenseitig nicht anerkannt würde. Bei außerhalb Deutschlands aber innerhalb des EWR belegenen Risiken soll hingegen ausdrücklich keine Steuerpflicht in Deutschland bestehen; hier soll es bei der bestehenden EU-konformen Rechtslage (Steuerabführung nach der Belegenheit des Risikos in die EU/EWR-Staaten) bleiben.

Bewertung

Sofern diese Regelung tatsächlich umgesetzt werden sollte (frühestens zum 1.1.2021), wäre dies ggf. mit einer nicht unbeträchtlichen Erhöhung der Steuerkosten für internationale Versicherungsprogramme verbunden.

Ob die Doppelbesteuerung unter Beibehaltung eines internationalen Versicherungs­programms gleichwohl vermieden werden kann, kann zum derzeitigen Zeitpunkt nicht abschließend eingeschätzt werden.

Vermeiden könnte man die Doppelbesteuerung der außerhalb des EWR belegenen Risiken ggf. durch eine Abspaltung der Risiken und Versicherung in einem separaten Versicherungs­vertrag. Dies würde aber die Aufgabe eines einheitlichen weltweiten koordinierten internationalen Versicherungs­programms bedeuten. Ob das sinnvoll erscheint, kann nur im Rahmen einer entsprechenden Güterabwägung beurteilt werden, bei der folgende quantitative und qualitative Vor- und Nachteile gegenübergestellt werden müssen:

Vorteile einer separaten Versicherung von außerhalb des EWR belegenen Risiken:

  • Vermeidung von Doppelbesteuerung, Einsparung einer etwaigen Mehrsteuerlast
  • Ggf. individuell verhandelte und optimierte Lokalpolicen im Hinblick auf Limite und Deckungsumfänge

Nachteile

  • Verlust des weltweit einheitlichen und zentral koordinierten Versicherungsschutzes
  • Ggf. höhere Gesamtversicherungsprämie der Summe aller Einzelpolicen – Verlust des „Prämienportfolioeffekts“ eines internationalen Versicherungsprogramms
  • Ggf. erhebliche Mehrkosten und Effizienzverluste durch Einzeladministration der Policen in Drittstaaten
  • Ggf. Unmöglichkeit zur Eindeckung adäquaten Versicherungsschutzes in Drittländern
  • (Limite, Deckungsumfang) im Vergleich zu den Möglichkeiten im Rahmen eines weltweiten internationalen Versicherungsprogramms
  • Verlust der Möglichkeit zur Versicherung von Wechselwirkungsrisiken zwischen den Betriebsstätten in EWR-Staaten und Drittstaaten

Einschätzung Krose

Zum derzeitigen Zeitpunkt ist das Gesetzgebungsverfahren zum VersStRModG noch nicht abgeschlossen. Es ist allerdings nicht unwahrscheinlich, dass das VersStRModG noch kurzfristig beschlossen und verkündet wird.

Falls das Inkrafttreten bereits zum 1.1.2021 erfolgt, sollte nach Möglichkeit von den Versicherungsnehmern im Hinblick auf inhaltliche wie wirtschaftliche Kriterien abgewogen werden, ob ggf. eine Herauslösung und separate Versicherung bestimmter in Drittstatten belegener Risiken und damit die Aufgabe der Vorteile eines internationalen Versicherungsprogramms sinnvoll erscheint.

Vor dem Hintergrund des derzeit sehr angespannten Versicherungsmarkts und z.T. sehr begrenzter personeller Ressourcen bei den Versicherern ist nicht sicher, ob der jeweilige Führungsversicherer in der Lage und willens sein wird, den Versicherungsnehmer bei der Beantwortung o.g. Fragen ausreichend zu unterstützen. Zugleich ist auch unklar, ob bis zum Renewal noch genug Zeit verbliebe, eine entsprechende Umstrukturierung der Versicherungsprogramme zu planen und operativ umzusetzen.

Sollte das VersStRModG tatsächlich bereits zum 1.1.2021 in der beschriebenen Form in Kraft treten, gehen wir davon aus, dass es bei den bestehenden internationalen Versicherungs­programmen, die von dem Gesetz betroffen wären, schwierig sein dürfte, die Implikationen der beschriebenen Gesetzesänderung bis zum Jahreswechsel ausreichend zu beurteilen und zu adressieren. In diesem Fall könnte im kommenden Jahr eine Doppel­besteuerung von in Drittstaaten belegenen Risiken nicht vermieden werden bzw. sie müsste dann nach Möglichkeit z.B. durch Gespräche mit den Finanzbehörden oder anderweitig gemanagt werden. Ggf. wird eine nötige qualifizierte strukturelle Umstellung der betroffenen Versicherungs­programme erst in der nächsten Versicherungsperiode nach Inkraftsetzung des Gesetzes möglich sein.

Dr. Oliver Cullmann

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