Anwendung von US-Wertpapier­handels­vorschriften

Veröffentlicht am 24/02/20

Zusammenfassung

Ein US-Gericht hat die Anwendbarkeit des US-Wertpapierhandelsrechts auf ein sogenanntes unsponsored American Depositary Receipts (ADR)-Programm eines ausländischen Unternehmens festgestellt, obwohl das Unternehmen weder an einer US-Börse gelistet noch an der Einrichtung des ADR-Programms durch eine US-Bank beteiligt war. Damit ist das Unternehmen zum Ersatz der Schäden verpflichtet, die US-Investoren durch Wertverluste der Anteilsscheine entstanden sind.

Im Einzelnen

Am 28.01.2020 erging ein beachtenswertes Urteil des US-Bezirksgerichts (Central District of California) gegen Toshiba Corp. Das Gericht bejahte die Anwendbarkeit von US-Wertpapierhandelsvorschriften für ein ADR Programm (unsponsored) des japanischen, nicht an einer US-Börse gelisteten, Unternehmens.1

Toshiba Corp. wurde 2015 im Rahmen einer Securities Class Action von mehreren US Klägergruppen (hauptsächlich Fonds) unter anderem wegen Verletzung des „U.S. Securities Exchange Act von 1934“ (Exchange Act) und des „Japan‘ s Financial Instruments & Exchange Act“ auf Schadenersatz in Anspruch genommen. Der Class Action Gruppe gehörten auch Erwerber sogenannter „American Depositary Receipts“ (ADRs) an. Hierbei handelt es sich um von US Depotbanken in den USA ausgegebene Aktienhinterlegungsscheine, die hinterlegte Aktien eines ausländischen Unternehmens verkörpern und an deren Stelle am US Kapitalmarkt „Over The Counter“ gehandelt werden. Das ADR Programm von Toshiba war „unsponsored“, d. h. die US Depotbank hat die erforderliche Registrierung („F-6 Form“) ohne formelle Mitwirkung des Unternehmens bei der U.S. Securities and Exchange Commission (SEC) eingereicht. Damit geht die Initiative bei diesen Programmen nicht von dem Emittenten, sondern von den US Depotbanken aus.

Die Kläger warfen Toshiba vor, durch US Aktivitäten erlittene finanzielle Verluste durch jahrelangen Abrechnungsbetrug vertuscht zu haben, so dass der Wert der Wertpapiere nach dem Bekanntwerden der Verfehlungen erheblich gesunken sei.

Entscheidend für die Frage der extraterritorialen Anwendbarkeit der US-Wertpapierhandelsgesetze auf ADR Programme sind die Kriterien, die der US Supreme Court 2010 im Fall Morrison v. National Australia Bank aufgestellt hat.2 Demnach findet der Exchange Act nur Anwendung, wenn eine der folgenden Voraussetzungen vorliegt:

  • Handel mit an einer US-Börse gelisteten Wertpapieren (“transaction in securities listed on a U.S. exchange”„) oder
  • Transaktionen mit Wertpapieren anderer Art im Inland (“domestic transaction in other securities”)

Zunächst hatte das o. g. Bezirksgericht die Klage abgewiesen, da es keines der beiden Kriterien als erfüllt ansah. Das Berufungsgericht ließ weiteren Sachvortrag der Klägerseite zu und urteilte, eine Anwendbarkeit des Exchange Acts auf ADR Programme käme in Betracht, da der Kauf von ADRs durchaus als „domestic transaction“ angesehen werden könnte. Im Anschluss wurde der Rechtsstreit wieder zurück an das Bezirksgericht verwiesen.3

Vor dem Hintergrund der absehbaren politischen Dimension haben Toshiba und weitere, internationale Vertreter aus Handel und Politik (unter anderem auch aus der UK Regierung) im Oktober 2015 eine Petition beim US Supreme Court gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts eingereicht. Der US Supreme Court lehnte eine Befassung mit Blick auf die Zurückverweisung durch das Berufungsgericht ab.4

In seiner Entscheidung vom 28.01.2020 hat das Bezirksgericht den Sachvortrag der Kläger für das Vorliegen einer „domestic transaction“ nunmehr als ausreichend angesehen und die Anwendbarkeit des Exchange Acts bejaht. Das Gericht prüfte insbesondere, ob die örtlichen Gegebenheiten der haftungsbegründenden Umstände eine Haftung nach US Recht rechtfertigen würden. Hierbei maßgeblich waren unter anderem die Fragen, ob der Eigentumsübergang, die Abwicklung des Zahlungsverkehrs, die Orderplatzierung und der Eintritt der Bindungswirkung in den USA eingetreten sind bzw. stattgefunden haben.

Das Bezirksgericht ließ den Einwand der Beklagten nicht gelten, dass der kausale Tatbeitrag an einem betrügerischen Verhalten allein durch Vorhalten eines ADR Programmes (unsponsored) nicht hinreichend dargelegt sei. Das Gericht stellte darauf ab, dass einer der in dem relevanten Zeitraum größten Anteilseigner von Toshiba ein mit dem ADR Handel sehr erfahrenes Bankhaus sei (Bank of New York Mellon) und sah es demgemäß als unwahrscheinlich an, dass der ADR Handel ohne Zustimmung bzw. Mitwirkung von Toshiba erfolgt sei.

Schließlich hat das Bezirksgericht noch entschieden, dass auch Allgemeine Grundsätze des Internationalen Rechts mit Blick auf die in großem Maße betroffenen US Interessen der Entscheidung nicht entgegenstehen und nicht zu einer Klageabweisung der Ansprüche gemäß „Japan‘ s Financial Instruments & Exchange Act“ führen

Folgerungen

Es bleibt abzuwarten, ob es sich bei der Entscheidung des Bezirksgerichts um einen Einzelfall aufgrund besonderer Umstände handelt oder nunmehr generell von einer Haftungsexponierung ausländischer Unternehmen auszugehen ist, für die ein ADR Programm (unsponsored) besteht. Unternehmen mit solchen Programmen sollten das Urteil und deren Besonderheiten kennen und ggf. mit ihren Investor Relations Abteilungen abstimmen, ob und inwieweit man sich nach außen erkennbar von dem ADR-Handel distanzieren möchte.

KROSE GmbH & Co. KG

Armin Beier-Thomas, i. V. Stefanie Denis

1 Stoyas v Toshiba Corp.: Case 215-cv-4194-DDP-JC (2020); Link: https://static.reuters.com/resources/media/editorial/20200129/toshibasecurities–opinion.pdf
2 Morrison v National Australia Bank Ltd., 561 U.S. 247, 266-67 (2010)
3 United States Court of Appeals, Ninth Circuit.Jul 17, 2018; 896 F.3d 933 (9th Cir. 2018)
4 Toshiba Corp. v. Auto. Indus. Pension Trust Fund, et al., No. 18-486 (U.S. June 24, 2019)

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